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Newsletter März 2014
 

Personalüberlassung, Personalgestellung und Leiharbeit im Bildungswesen – Grenzen eines effizient-orientierten Arbeitnehmereinsatzes – Teil 1 Arbeitsrecht

Die Begriffe Personalüberlassung, Personalgestellung und Leiharbeit ranken sich um das Thema Kostenreduzierung im Personaleinsatz. Aus betriebswirtschaftlicher und fachlicher Sicht ist es in vielen Fällen sicher sinnvoll, wenn besonders ausgebildete Beschäftigte z.B. als Verwaltungsmitarbeiter, Dozenten oder sonstige Fachkräfte in Tochtergesellschaften, Betriebsstätten oder bei Kooperationspartnern z.B. in einer Arbeitsgemeinschaft (Arge) je nach Bedarf eingesetzt werden können. Aber ein solch flexibler Personaleinsatz muss arbeitsrechtlich wie auch umsatzsteuerlich und sozialversicherungsrechtlich sehr gut bedacht sein. Nicht alles was ökonomisch gewünscht ist, kann rechtlich umgesetzt werden.

Personalgestellung durch öffentliche Arbeitgeber

Die Personalgestellung wird als personalplanerisches Instrumentarium im gesamten öffentlichen Dienst sehr häufig genutzt; viele Bildungsträger, deren Gesellschafter juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, wie staatliche Einrichtungen, Gemeinden, Gemeindeverbände oder  Anstalten, Stiftungen des öffentlichen Rechts, gemeinnützige Organisationen und kommunale Unternehmen, „entleihen“ ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen unter Wahrung ihres sog. Besitzstandes an Dritte (z.B. GmbH eines öffentlichen Trägers oder eines privaten Trägers). Gerade im Fall von Ausgründungen von zuvor öffentlichen Aufgaben auf gemeinnützige Gesellschaften wie GmbH oder Vereine wird das Personal, dass bisher für diese Tätigkeiten verantwortlich war, häufig der übernehmenden Gesellschaft zur Arbeitsleistung gegen Personalkostenerstattung zugewiesen. Diese Handhabung ist aber zunehmend  in die Kritik geraten.

Welche Wirkung haben Tarifverträge (TVöD/TV-L)?

Die Rechtsgrundlage für Personalgestellungen für die Personalverwaltung des öffentlichen Sektors findet sich in einer tarifvertraglichen Regelung des § 4 Absatz 3 TVöD, die auch in etliche andere Tarifverträge eingebunden wurde. Sie erlaubt in der derzeit geltenden Fassung auch eine dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung. Streitig ist zurzeit, ob die Regelung auch nach Inkrafttreten des AÜG 2011 (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) auf Grundlage der EU-Leiharbeitsrichtlinie (Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Leiharbeit) noch in dieser Form überhaupt zulässig ist. Das LAG Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 17.04.2013 (AZ:  4 TaBV 7/12) entschieden, dass soweit § 4 Abs. 3 TVöD die dauerhafte Überlassung von Arbeitnehmern gestattet, die Regelung unzweifelhaft gegen höherrangiges Recht verstoße und damit unwirksam sei. Der Beschäftigte wäre im Fall unerlaubter Personalüberlassung so zu stellen, als wäre die Gestellung nicht erfolgt; der Personalrat der entleihenden Körperschaft wäre sowohl im Grundverhältnis für den Beschäftigten zuständig, als auch gebührten ihm alle Beteiligungsrechte, somit auch zum Direktionsrecht. Die Änderung der Beschäftigung selbst würde als Umsetzung gewertet werden müssen. Nach dieser Entscheidung müssen sich die öffentlichen Arbeitgeber mit der Struktur ihrer Arbeitnehmerschaft genauer auseinandersetzen.
Die SPD-regierten Bundesländer Rheinland-Pfalz, Nordrhein- Westfalen und Schleswig-Holstein haben deshalb Ende Oktober 2013 einen Entschließungsantrag in den Bundesrat zum Thema Personalgestellung eingebracht: Danach soll die Personalgestellung im öffentlichen Dienst generell aus dem Anwendungsbereich des AÜG ausgenommen werden oder zumindest soll für öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften ein vereinfachtes und kostenfreies Verfahren für die Erteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung eingerichtet werden.

Greift das AÜG nur bei gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung?

Nach der Altfassung des AÜG war dessen Regelungsbereich nur auf die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung beschränkt. Somit war das Entleihen von Beschäftigten auf Basis von durchgereichten Kosten vom AÜG nicht betroffen; nach dem AÜG 2011 muss aber bei jeder Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Arbeitgebers eine Erlaubnis vorliegen. Personalgestellungen im öffentlichen Dienst, die regelmäßig nicht mit Gewinnerzielungsabsicht sondern zum Selbstkostenpreis betrieben werden, unterlagen daher grundsätzlich nicht der Erlaubnispflicht. Nach der Streichung des Begriffs gewerbsmäßig ist nunmehr jedes kommunale Unternehmen oder Körperschaft, die Beschäftigte auf Basis reiner Kostenerstattung an Dritte überlassen, seit Anfang 2012 ebenfalls vom AÜG betroffen.

Welche Konsequenzen folgen aus einer unerlaubten Personalgestellung?

Das AÜG enthält keine ausdrückliche Sanktion für etwaige Verstöße gegen das Erfordernis der nur vorübergehenden Überlassung; die EU-RL zur Leiharbeit hat den EU-Staaten die Art der  Maßnahmen zur Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte selbst überlassen. Zivilrechtlich sieht es anders aus. Bei einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung würden Leiharbeitnehmer in die Positionen von Stammmitarbeitern mit entsprechendem Kündigungsschutz hineinwachsen. Möglicherweise können Werkverträge oder Befristungen im Einzelfall einen Ausweg aus diesem Dilemma darstellen. Im öffentlichen Dienst hingegen möchten die Beschäftigten aber im Normalfall gerade nicht ihren Bestandschutz verlieren; besonders beim Outsourcing öffentlicher Aufgaben soll den Beschäftigten die Weiteranwendung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes und die Aufrechterhaltung der attraktiven Zusatzversorgung gesichert werden; außerdem ist ein Rückkehr zum Dienstherrn bzw. Arbeitgeber auch so ohne Weiteres nicht mehr möglich, weil die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten z.B. bei einer Kommune durch die Ausgliederung weggefallen sind. In jedem Falle sollte bei der Vereinbarung von Personalgestellungs- oder Personalüberlassungsverträgen i.w.S. immer eine Option zur Rückkehr- bzw. Rücknahme der gestellten Beschäftigten zwischen den beteiligten Institutionen vereinbart werden.

Kann ein Dauerarbeitsplatz auch von Leiharbeitnehmern besetzt werden?

Das LAG Berlin-Brandenburg 19.12.2012 ( AZ: 4 TaBV 1163/12)  hatte  einen bemerkenswerten Vorstoß gewagt; die Richter stellten fest, dass die Einstellung eines Leiharbeitnehmers auf einem Dauerarbeitsplatz im Unternehmen gegen § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG verstoße, da eine Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich nur vorübergehend erfolgen darf. In dem entschiedenen Fall durfte deshalb der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung der Leiharbeitnehmer zu Recht verweigern. Eine weitere Konsequenz wäre, dass im Fall von nicht nur vorübergehender Arbeitnehmerüberlassung der entliehene Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein festes Arbeitsverhältnis beim Entleiher hätte.

Wann kann überhaupt ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Entliehenen fingiert werden?

Das BAG hat diesen Richterspruch jedoch eingeschränkt ( Urteil vom 10.12.2013, 9 AZR 51/13) Leiharbeiter, die bei einem entleihenden Unternehmen länger als nur vorübergehend tätig sind, haben keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Festanstellung beim Entleiher. Voraussetzung ist aber, dass der Arbeitgeber (Verleiher) die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis, Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zu überlassen, in Händen hält. Ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis fingiert § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses des Verleihers.

Wann aber ist eine Arbeitnehmerüberlassung nur vorübergehend?

Das AÜG (2011) bestimmt selbst keine zeitliche Höchstdauer der Arbeitnehmerüberlassung; grundsätzlich ist ein Einsatz von Leiharbeitnehmern im Interesse einer flexiblen Arbeitsgestaltung weitgehend erlaubt. Auch das aktuelle BAG Urteil sagt dazu nichts Konkretes aus. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 10.07.2013 (AZ: 7 ABR 91/11) nur festgestellt, dass das AÜG nicht lediglich einen unverbindlichen Programmsatz enthält, sondern die nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung untersage, also zwingend umzusetzen sei. Die Regelung diene, so das BAG,  zum einen dem Schutz der Leiharbeitnehmer und zum anderen soll auch die dauerhafte Aufspaltung der Belegschaft des Entleiherbetriebs in eine Stammbelegschaft und eine entliehene Belegschaft verhindert werden. Eine Definition des Begriffs "vorübergehend" ist damit jedoch immer noch nicht abschließend festgeschrieben; eine exakte zeitliche Grenze wurde bislang vom BAG noch nicht vorgegeben.

Welche Sonderfälle lässt das BAG gelten?

Wenn die Personalgestellung bei einer Übertragung von öffentlichen Aufgaben von einer öffentliche Körperschaft auf eine andere öffentliche Körperschaft erfolgt, sieht das BAG keine Arbeitnehmerüberlassung; gleiches gilt bei Maßnahmen im Rahmen des SGB III, wonach die öffentlichen Träger von Jugendhilfemaßnahmen Aufgaben auf freie Träger übertragen können. Eine weitere Besonderheit ist die Personalgestellung für ein gemeinsames Unternehmen (Arge).

Weitere Schritte im Koalitionsvertrag
Die Koalition von CDU/CSU und SPD hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass die Dauer der Überlassung an einen Entleiher höchstens 18 Monate betragen soll. Es ist also zu erwarten, dass Bewegung ins Spiel kommt. Somit sollten öffentliche wie private Bildungsträger ihre Beschäftigtenstrukturen  nochmals genauer unter die Lupe nehmen.
Die Bundesregierung konkretisiert für 2014 die im Koalitionsvertrag geplante Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung. Neben der Begrenzung der Überlassungsdauer soll der  Leiharbeitnehmer künftig spätestens nach neun Monaten hinsichtlich seines  Arbeitsentgelts mit vergleichbaren Stammarbeitnehmern gleichgestellt werden. Leiharbeitnehmer sollen bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten mit berücksichtigt werden.

Lesen Sie Teil 2 zum Steuer- und Sozialversicherungsrecht in unserer nächsten Ausgabe der CERTQUA News.

Autorenhinweis:
Diplom-Ökonomin Brigitte Batke-Spitzer, M.A. (Erwachsenenbildung) ist als Rechtsanwältin bei der sdbs Partnergesellschaft – Steuer- und Rechtsberatung in Freiburg i. Br. tätig und berät die CERTQUA GmbH in juristischen Belangen.