Seit Juli 2015 liegt nun der Abschlussentwurf (FDIS) der Überarbeitung der Norm DIN EN ISO 9001:2015 vor, bevor die endgültige Fassung am 23. September 2015 veröffentlicht wird (Stand bis zum Redaktionsschluss). Der Abschlussentwurf hat gegenüber dem Vorgängerentwurf keine gravierenden Änderungen mehr gebracht.
Damit kann davon ausgegangen werden, dass die wesentlichen Veränderungen gegenüber der noch gültigen Norm der Version 2008 die Folgenden sind:
Strategische Ausrichtung der Organisation
Das Qualitätsmanagementsystem muss zukünftig in die strategische Ausrichtung der Organisation eingebunden werden. Die oberste Leitung muss dazu sicherstellen, dass die Qualitätspolitik und die Qualitätsziele mit der strategischen Ausrichtung und dem Kontext der Organisation vereinbar sind. Die neue Norm fordert zudem, dass die Unternehmen erfassen, welche internen und externen Belange (z.B. gesetzliche, technische, wettbewerbliche oder soziale Belange) Einfluss auf Ziele, Strategie und Ergebnis des QM-Systems haben.
Erweiterung der Zielgruppen
ISO 9001:2015 fordert zukünftig eine Festlegung von für das QM-System relevanten interessierten Parteien und deren Anforderungen. Diese können z.B. Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Kooperationspartner, Kostenträger etc. sein. Die neue Norm erweitert hier die Kundenorientierung um weitere Ziel-gruppen, die in den Fokus des Qualitätsmanagements rücken sollen. Dazu soll die Organisation berücksichtigen, welche Auswirkungen die Parteien auf die Konformität von Produkten und Dienstleistungen haben.
Prozessmanagement wird wichtiger
Eine weitere Verstärkung der Prozessorientierung folgt dem Verständnis, dass ein Unternehmen die Summe seiner Prozesse im Zusammenspiel mit den Mitarbeitern ist. Die Zeit für „normgetriebene“ QM-Dokumentationen sollte damit endgül-tig vorbei sein, denn diese stießen auf Seiten der Mitarbeiter in aller Regel auf Unverständnis und in vielen Fällen auf Ablehnung.
Verteilung der Verantwortlichkeiten
Neu ist auch, dass ISO 9001:2015 die Existenz eines „Beauftragten der obersten Leitung“ (BoL) nicht mehr explizit fordert. Damit legt die Norm das Thema QM einerseits vielmehr explizit in die Verantwortung der Ge-schäftsführung. Dies ist als positiv zu bewerten, denn in allzu vielen Unternehmen wird QM gnadenlos an den QM-Beauftragten delegiert. Andererseits jedoch, verlangt die neue Norm, dass im Unternehmen festgelegt werden muss, wer die Verantwortung für die Normerfüllung, das Verbesserungswesen etc. trägt. Damit hat die oberste Leitung weiter die Möglichkeit, sich „Kümmerer“ für QM zu ernennen. De facto hat diese Änderung gegen-über der Vorgängernorm keine gravierenden Auswirkungen.
Chancen- und Risikenmanagement
Das Managen der Chancen und Risiken stellt für die meisten Bildungsträger ein neues Aufgabenfeld dar. Zwar konnte man das Risikomanagement bei der bisherigen Norm durchaus „hinein interpretieren“, nicht jedoch den Aspekt der Chancen. Jeder Bildungsträger, der die neue Norm erfüllen will, wird sich in Zukunft mit organisationellen und maßnahmebezogenen Chancen und Risiken, die hinsichtlich der Zufriedenheit der Interessierten Parteien vorhanden sind, beschäftigen müssen.
Aufbau eines Wissensmanagements
Die bisherige Norm DIN EN ISO 9001:2008 beinhaltet keine Forderun-gen zum Wissensmanagement. Gerade Bildungsträger müssen sich die Frage stellen, was das eigene Unternehmen ausmacht. Haben produzie-rende Unternehmen Produkte und/oder Verfahren, die man schützt, so sind die Produkte eines Bildungsunternehmens die eigenen Konzepte. Diese sollte ein Bildungsunternehmen schützen und so handhaben, dass das Unternehmen von Ihnen profitiert. Ganz schnell ist man bei der Frage nach einer Konzeptdatenbank, aber auch bei der Frage, wie das Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter für das Unternehmen nutzbar ist und bleibt.
Papier-QM-Handbücher gehören der Vergangenheit an
Die neue Norm DIN EN ISO 9001:2015 verlangt nicht länger die Existenz eines QM-Handbuches. Damit trägt die Norm der Tatsache Rechnung, dass QM-Systeme heute in fast allen Unternehmen per EDV dokumentiert werden. Weiter ist dies eine Folge der verstärkten Prozessorientierung. Wenn Mitarbeiter in der Vergangenheit in der QM-Dokumentation etwas nachlesen mussten, dann taten sie es in den Be-schreibungen der Prozesse und nicht in einem Handbuch, das inhaltlich meist sehr an der Oberfläche blieb. Eine moderne QM-Dokumentation teilt den Unternehmensalltag in Führungs-, Wertschöpfungs- und Stützprozesse ein. In den Beschreibungen dieser Prozesse kann man alles verankern, was in der neuen Norm gefordert ist.
Kommentar des Autors
Ich beschäftige mich seit über 25 Jahren mit Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9001. Die zusätzlichen und geänderten Forderungen der neuen Norm DIN EN ISO 9001 begrüße ich ohne Einschränkung. Insbesondere die noch stärkere Fokussierung auf die Prozesse und die zusätzliche Forderung nach Wissensmanagement sind aus meiner Sicht uneingeschränkt positiv zu bewerten.
Dipl.-Wirtschaftsingenieur Elmar Pfitzinger ist bereits seit 1996 berufener leitender Auditor bei der akkreditierten Zertifizierungsstelle CERTQUA. Nach seinem Studium an der TH Karlsruhe, war er lange Jahre für das konzernweite Qualitäts- und Geschäftsprozessmanagement bei der IBM Deutschland Bildungsgesellschaft verantwortlich. Heute ist er neben seiner Tätigkeit als Lead-Auditor für CERTQUA als selbstständiger Unternehmensberater und als Dozent für Qualitäts- und Geschäftsprozessmanagement an der Berufsakademie Stuttgart tätig.